Arbeit.Gesundheit.Soziales.
Mit Menschen für Menschen.

Therapie und Nachsorge in der forensischen Psychiatrie

Bild zeigt Therapiegespräch

Therapie und Nachsorge in der forensischen Psychiatrie

Strafrechtsbezogene Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten

Eine fachgerechte, individuell auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der jeweiligen Person abgestimmte Therapie bietet den nachhaltigsten Schutz für die Bevölkerung. Dazu bedarf es eines vielfältigen Angebots an Behandlungsformen in jeder Einrichtung.

„Eine erfolgreiche Resozialisierung dient auch dem Schutz der Rechtsgemeinschaft, die ein unmittelbares Interesse daran hat, dass der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut andere und die Gemeinschaft schädigt.“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09)

Die Durchführung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Entziehungsanstalt verfolgt das Ziel, durch die Behandlung der zugrundeliegenden psychischen Erkrankung die Begehung weiterer erheblicher Taten zu verhindern.

Bei Unterbringungen gemäß § 63 StGB bilden Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis die größte Gruppe. Bei Personen, die gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind, liegt in der Regel eine Abhängigkeitserkrankung als behandlungsleitende Diagnose vor.

Diagnoseverteilung bei Unterbringung nach § 63 StGB in den psychiatrischen Krankenhäusern NRW

Diagnoseverteilung bei Unterbringung nach § 63 StGB in den psychiatrischen Krankenhäusern NRW

Quelle: Stat. Erhebung MAGS NRW (Stand 01.01.2025)

 

Diagnoseverteilung bei Unterbringung nach § 64 StGB in den Entziehungsanstalten NRW

Diagnoseverteilung bei Unterbringung nach § 64 StGB in den Entziehungsanstalten NRW

Quelle: Stat. Erhebung MAGS NRW (Stand 01.01.2025)

Die Auswahl der Behandlungsangebote orientiert sich grundsätzlich an allgemeingültigen und wissenschaftlich anerkannten Standards. Jede untergebrachte Person hat einen Anspruch auf eine individuelle und intensive Behandlung ihrer Anlasserkrankung. Entsprechend wird ihr – im Anschluss an eine eingehende Diagnostik - ein passendes Behandlungsangebot unterbreitet.

Die Behandlung und Betreuung der untergebrachten Personen erfolgt durch unterschiedliche Berufsgruppen. So gibt es beispielsweise die Bereiche des ärztlich-therapeutischen Dienstes, des Pflege- und Erziehungsdienstes, des Sozialdienstes und des ergotherapeutischen Dienstes.

Jede Einrichtung oder selbständige Abteilung hat eine ärztliche, psychologische oder psychotherapeutische Leitung.

Eine qualifizierte Behandlung bedarf einer fortlaufenden Überprüfung und Anpassung an neueste wissenschaftliche Standards und Entwicklungen, die durch die Landschaftsverbände als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörden und die beliehenen Einrichtungen gewährleitet werden. Das MAGS erlässt Leitlinien zur Qualität und Qualitätssicherung der Behandlung, in denen darüber hinaus die spezifischen Rahmenbedingungen der forensischen Psychiatrie Berücksichtigung finden. 

Durch regelmäßig durchgeführte Begehungen der Einrichtungen wird neben dem strukturierten Austausch mit den jeweils Verantwortlichen vor Ort insbesondere die Überprüfung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Standards sichergestellt. 

Zu den Aufgaben des MAGS gehört auch die Durchführung bzw. Beauftragung von Projekten und wissenschaftlichen Evaluationen. Das Projekt „Finanzierung der Umsetzung der Empfehlungen der Expertengruppe zur Qualitätssicherung im Maßregelvollzug“ endete zum 31. Dezember 2024. 

Eine erfolgreiche Behandlung - und damit wirksame Reduktion der Rückfallgefahr -kann nur in Kombination mit einer angemessenen Außenorientierung und Vorbereitung der Entlassung erreicht werden. Im Hinblick auf das Resozialisierungsziel kommt der Möglichkeit der Rücknahme von Freiheitseinschränkungen daher besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2012 – 2 BvR 865/11). Dazu bedarf es einer verantwortungsvollen Erweiterung der Freiheitsgrade und der Sicherstellung einer qualifizierten forensischen Nachsorge im sozialen Empfangsraum.

Das Maß der Freiheitsentziehung bei der Durchführung von strafrechtsbezogenen Unterbringungen in NRW richtet sich nach der von der untergebrachten Person ausgehenden prognostizierten Gefahr. Die Festlegung von Art und Maß der Freiheitseingriffe geht mit einer jeweils aktuellen Risikoeinschätzung einher, basierend auf einer eingehenden prognostischen Beurteilung durch interne und externe Sachverständige.

§ 4 StrUG NRW unterscheidet verschiedene Kategorien der Freiheitsentziehung, je nach dem individuellen Gefährdungspotenzial und dem sich daraus ergebenden Sicherungsbedarf der untergebrachten Person. Das mögliche Maß der Freiheitsentziehung reicht dabei von der Berechtigung, sich trotz noch vorhandener Behandlungsbedürftigkeit dauerhaft außerhalb der Klinik aufzuhalten und bspw. in einer eigenen Wohnung zu leben, bis hin zur (noch) nicht vorhandenen Berechtigung, die Klinik überhaupt zu verlassen.

Eine den Individualinteressen dienende und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten gleichermaßen nutzende Integration der untergebrachten Person in die Gesellschaft, erfordert ein belastbares Beziehungsgefüge und ein Netz sozialer Anknüpfungsmöglichkeiten außerhalb der Unterbringung. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt kann bei Angehörigen mit Unsicherheiten und Vorbehalten einhergehen. Insofern unterstützt das MAGS den Austausch zwischen Organisationen der Angehörigenvertretung, den Landschaftsverbänden und den Einrichtungen. Ebenso von besonderer Bedeutung für die Eingliederung ist die Zusammenarbeit der Kliniken mit den für die nachsorgenden Hilfen zuständigen Stellen.

Die Einrichtungen betreiben zum Zwecke der Förderung der Eingliederung Forensische Nachsorgeambulanzen, die ab Aufnahme der untergebrachten Person im Rahmen ihres Aufgabenbereiches an der Behandlung und Betreuung mitwirken und gleichzeitig koordinierende Schnittstelle der für die nachsorgenden Hilfen zuständigen Institutionen (z. B. Sozialpsychiatrische Dienst, Führungsaufsicht, Bewährungshilfe) sind.

Das MAGS wirkt in diesen Bereichen durch Erstellung und Initiierung neuer sowie Weiterentwicklung und Fortschreibung vorhandener Konzepte mit.